Herausforderung Entkopplung

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Spannungen durch Entkopplung richtig abbauen | Einwandfreie und somit unproblematische Untergründe sind der Wunsch aller am Bau Beteiligten. In der Realität begegnen dem Fliesenleger jedoch zumeist kritische Untergründe, die in ihrer Beschaffenheit nicht zur direkten Fliesenverlegung geeignet sind. Ein Thema, dass nicht nur im Renovierungsbereich vorkommt, sondern auch bei Untergründen in zeitkritischen Neubauten. In diesen Fällen kommt meist ein spannungsabbauendes- oder entkoppelndes System zum Einsatz. Welcher der vielen Systeme unter keramischen Fliesen-, Platten- und Natursteinbelägen eingesetzt werden kann, hängt von einigen Faktoren ab.

Autor: Joachim Fülle, Leiter codex Anwendungstechnik und Produktmanagement

Die Hauptaufgabe von Entkopplungssystemen besteht darin, die Übertragung eventuell entstehender Spannungen aus dem Untergrund auf den starren Fliesenbelag zu vermeiden. Damit beugt die Entkopplung der Ablösung, Brüchen und der Rissbildung im Oberbelag vor. Spannungen entstehen u.a. aufgrund von Feuchtigkeit, Temperaturunterschieden, Schwindspannungen beim Trocknen (auch bei neuen Betonböden oder Estrichen) oder durch Bewegung z.B durch leichtes Durchbiegen von Holzdecken und vielem mehr.

Entkopplungssysteme gibt es in unterschiedlichster Art, Stärke, Materialbasis, Aufbau und Verwendungszweck. Die Auswahl muss nach örtlichen Gegebenheiten und den zu erwarteten Spannungen, aber auch der geplanten Nutzung entsprechend ausgewählt werden.
Daher sind im Vorfeld folgende Punkte vom Verleger zu prüfen und festzulegen:

  • Mit welchen Spannungen und Belastungen ist zu rechnen (zum Beispiel gewerblich/privat, schwere rollende oder hohe Punktlasten, Schwundverformung bei Neuuntergründen und so weiter)?
  • Sind zusätzliche Funktionen wie eine Wärmedämmung/Trittschallverbesserung oder Abdichtung erforderlich?
  • Wo kommt die entkoppelnde Maßnahme zum Einsatz? Innen, außen? Welches bauliche Umfeld liegt vor, zum Beispiel Fußbodenheizung, thermoplastische Untergründe wie Gussasphalte?
  • Welcher Untergrund liegt vor? Mischuntergrund, teilsanierte Estriche oder Holzbalkendecken?
  • Werden sehr große Fliesen, sogenannte „Megaformate“ verlegt? Denn durch den minimalen Fugenanteil können eventuell entstehende Spannungen praktisch gar nicht über die Fuge kompensiert werden.

 

Mit Entkopplungssystemen „belegbare Untergründe“ herstellen

Je nach vorliegenden Bedingungen (Untergrund, Nutzung, Belastung, Vorgaben etc.) sind spezifische Produktlösungen gefragt. Denn nicht jede Entkopplung ist auf jedem Untergrund oder für jede Nutzung verwendbar. Die Auswahl des passenden Produkts hängt daher von der Untergrundprüfung und deren Eignung ab. Fördert die Untergrundprüfung Mängel zu Tage, hat der Verleger dies bei der Auswahl der Materialien und der Ausführung seiner Arbeiten zu berücksichtigen. Um den Untergrund richtig beurteilen zu können, muss sich der Verleger auch über die zukünftige Nutzung und Beanspruchung informieren. Denn je nach Nutzung ist die Beanspruchung anders zu bewerten.

 

Anforderungen an den Verlegeuntergrund

Natürlich können Entkopplungssysteme einen ungeeigneten Untergrund nicht mehr in einen Top-Untergrund verwandeln. In Einzelfällen können auch Untergründe nicht mehr gerettet werden und ein Rückbau und Neuaufbau ist unumgänglich. Denn auch Entkopplungssystemen sind physikalische Grenzen gesetzt. Der Untergrund muss daher ausreichend tragfähig, eben und frei von haftungsmindernden Bestandteilen sein. Vorhandene Risse und Fugen dürfen keine Höhenversätze aufweisen. Sollte ein Höhenausgleich erforderlich sein, muss dieser vor dem Einbau des Entkopplungssystems erfolgen. Bei vorhandenen Bewegungsfugen im Estrich sind diese gegen Höhenversätze zu sichern und dann bis in den Oberbelag deckungsgleich zu übernehmen.

 

Wie leistungsstark sind die Systeme heutzutage?

Ein Hauptanwendungsgebiet der Entkopplungssysteme sind mehr oder weniger große Risse oder haftmindernde Untergründe auf Estrichen. Hier bewirken die Entkopplungssysteme eine schadensfreie Fliesenverlegung, ohne dass sich Risse in den Oberbelag übertragen. Eine komplette Trennung zwischen Belag und Untergrund ist jedoch unmöglich. Je nach verwendetem System wird ein gewisser Spannungsabbau erreicht, jedoch keine komplette Entkopplung. Generell kann davon ausgegangen werden, dass die Entkopplungsleistung ungefähr im Quadrat zur Dicke zunimmt! So kann auch das beste Entkopplungssystem Schäden im Oberbelag nicht vollends verhindern, wenn der Untergrund nicht tragfähig ist oder große bewegliche Risse mit Höhenversätzen vorhanden sind.

 

Welche Entkopplung für welchen Anwendungsfall?

Schematische Darstellung für den Versuchsaufbau zur Ermittlung von Scherfestigkeiten

Um die Steifigkeit dieser Systeme vergleichen und beurteilen zu können, wird das E-Modul als Kennwert herangezogen. Generell gilt, je niedriger das E-Modul ist, desto mehr Spannungen kann das System abbauen. Gleichzeitig gilt aber auch, je niedriger das E-Modul umso weicher das Entkopplungssystem. Ein weiterer wesentlicher Faktor beim Spannungsabbau ist die Dicke des Materials. Umso dicker das Material ist, desto besser können parallel einwirkende Spannung durch das Material linear abgebaut werden. Damit kann man durchaus sagen: Je dicker, desto besser! Ist die Konstruktion wiederum zu weich, können keine keramischen Fliesen- oder Natursteinbeläge darauf verlegt werden – es droht erhöhte Bruchgefahr. Daher ist bei der Auswahl des Entkopplungssystems zum einen das zu verlegenden Belagsmaterials, die erforderliche Entkopplungswirkung sowie die einwirkende Belastung aus der Nutzung zu berücksichtigen. Entscheidend für die Belastbarkeit der Belagskonstruktion ist die vertikale Bettungssteifigkeit. Daher erfordern weiche Entkopplungssysteme mit einer geringen vertikalen Bettungssteifigkeit z.B. dickere Fliesen oder Platten mit einer höheren Bruchlast und eine größeren Belagsdicke.

Es ist also immer eine Gratwanderung und man muss bei der Wahl des Entkopplungssystems entsprechend abwägen, um für den Einsatzbereich das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. In hoch belasteten Bereichen zum Beispiel ist daher ein System einzusetzen, das hoch tragfähig ist und dennoch z. B. hohe rollende- oder Punktlasten abfängt (wie beispielsweise die Gewebe-Entkopplungsmatte codex UX 430).

Messung von Scherspannungen bei steifen, mittelsteifen und weichen Entkopplungssystemen

Nicht nur in der Renovierung ist Entkopplung ein Thema

Mit einer Entkopplung kann seit Jahrzehnten auch auf Holz-, mangelbehafteten oder Mischuntergründen eine schadens- und rissfreie Verlegung hergestellt werden. Dabei ist bei Holz- und Holzwerkstoffplatten zu beachten, dass es zu hygrisch bedingten Quell- und Sehwindverformungen kommen kann. Die Holzfeuchte steht im Gleichgewicht mit der Umgebungsfeuchte = relative Luftfeuchte im Raum. Dies hat zur Folge, dass z.B. eine dreiprozentige Änderung der Ausgleichsfeuchte im Holz eine Längenänderung von ca. 1 mm/m hervorruft.

Auch bei Terminbaustellen und im Neubau werden heute vermehrt Entkopplungssysteme auf jungen Beton- und Estrichuntergründen verwendet. Denn hier haben wir eine schubfeste Verbindung zwischen Oberbelag, Entkopplungssystem und zum Untergrund, aber dennoch eine gleitende spannungsabbauende Zwischenschicht.

Einbruch der Fliese auf weicher Entkopplung durch befahren mit Gabelhubwagen.

Neben ihrer entkoppelnden Wirkung verknüpfen moderne Systeme längst weitere nützliche Eigenschaften, wie Trittschalldämmung, Wärmedämmung oder eine gleichzeitige Verwendung als Verbundabdichtung und sind zudem meist uneingeschränkt auf Fußbodenheizungen verwendbar.

Hinweis: Es ist möglich, dass ein entkoppelter Belag einen anderen Klang aufweist, als einer ohne Entkopplung. Das hängt vom gewählten System und dem vorliegenden Untergrund ab und sollte daher im Vorfeld mit dem Bauherren besprochen werden.

 

a) Verlegeaufbau

 

b) Bruchstelle bei Holzböden

 

Ohne Norm aber trotzdem geregelt

Bis heute sind Entkopplungen nicht genormt und gelten nach wie vor als Sonderkonstruktion, welche vor Arbeitsausführung mit dem Auftraggeber schriftlich zu vereinbaren ist. Da jedes Jahr neue Systeme hinzukommen, würde eine Norm immer hinterherhinken. Zwischenzeitlich gibt es Merkblätter vom Fachverband Fliese und dem Natursteinverband, die dem Handwerker eine gewisse Sicherheit geben und hoffentlich bald in die anerkannten Regeln der Technik überführt werden. Damit die Auswahl eines geeigneten Entkopplungssystems erleichtert wird, wurden im ZDB-Merkblatt vier Kategorien festgelegt:

  • W= Wohnbereich
  • G = gewerblicher Bereich
  • M = für den mechanisch beanspruchten Bereich
  • H = für Holzuntergründe.
ZDB-Merkblatt mit Anwendungsgebiete Entkopplungssysteme

 

Fazit

Durch langjährige Erfahrung mit den verschiedensten Entkopplungssystemen kann in vielen Fällen ein von Haus aus ungeeigneter Untergrund in einen verlegefähigen Untergrund umgebaut werden. Auch liefern wir Systeme, die bei sehr schnellem Bauen den Bauherren vor Schäden bewahrt. Auch kann eine gewisse Wärme- oder Trittschalldämmung mit eingebaut werden. Hexen geht zwar noch nicht, aber es ist vieles möglich!

Sie sind sich noch unsicher? Dann nutzen Sie doch unseren digitalen Entkopplungsberater!

Fragen zu technische Themen?
Kontaktieren Sie jederzeit gerne unsere codex Technik: 

Tel.: 0731 927093 221

Mail: technik-hotline@codex-x.com

 

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